Markkleeberger werden 100fach mobil
20 Markkleeberger Haushalte starten Mobilitätsexperiment
Am Dienstag, den 20. August, fand in der Orangerie im Markkleeberger Ortsteil Gaschwitz das Auftakttreffen des Projekts „100fach mobil“ statt. Zahlreiche Teilnehmerinnen und Teilnehmer kamen bei sommerlichen Temperaturen zusammen, um über umweltfreundliche Mobilität und die Herausforderungen der Verkehrswende in Markkleeberg zu sprechen. Organisiert wurde das Treffen vom Landesverband Nachhaltiges Sachsen e.V. in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung.
Zu den Teilnehmern zählte auch Lydia Sommer, die nicht nur beruflich bei den Leipziger Verkehrsbetrieben (LVB) tätig ist, sondern auch privat auf umweltfreundliche Mobilität setzt. Durch das Projekt möchte sie ihre Erfahrungen mit einer autofreien Lebensweise weitergeben und an der nachhaltigen Stadtgestaltung mitwirken. Ähnlich geht es Tilo Brachmann, der aus Gründen des Umweltschutzes und für eine bessere Fitness auf Fahrrad und ÖPNV setzt. Für Fahrten mit der Familie reicht ihm der Dienstwagen, der in der Familie noch vorhanden ist, aus. Autokilometer reduzieren und vielfach mobil werden – damit trifft er den Kern des Projekts.
Das Projekt „100fach mobil“ zielt darauf ab, die Mobilität in Markkleeberg ohne eigenes Auto zu fördern und herauszufinden, wie alltagstauglich dieser Wandel für verschiedene Haushalte sein kann. Die teilnehmenden Haushalte sollen ein Jahr lang ihr Auto möglichst stehen lassen und auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel umsteigen. Als Anreiz erhalten sie einen monatlichen Mobilitätszuschuss in Höhe des Deutschlandtickets. Das Interesse an dem Projekt war groß – es gab mehr Anmeldungen als Plätze, und letztlich wurden 20 Haushalte ausgewählt.
Seit Projektbeginn am 1. August dokumentieren die Teilnehmer ihre Mobilität in einem Tagebuch. Sie notieren Wege, die sie früher mit dem Auto zurückgelegt hätten, und welche alternativen Verkehrsmittel sie nun nutzen. Beim Kennenlerntreffen berichteten viele, dass sie nun häufiger das Fahrrad oder den Bus nutzen. So auch Steven Reitler-Heisgen, der innerhalb weniger Tage vom Auto auf andere umweltfreundliche Verkehrsmittel umgestiegen ist. Auch Julia Reichenbach möchte durch ihre Teilnahme am Projekt ihre Autokilometer einsparen. Sie hat sich dafür ein Fahrrad gekauft und plant, vermehrt den Bus und die Bahn zu nutzen. Das Auto ganz abzuschaffen ist für sie allerdings noch keine Option, da sie die zeitliche Flexibilität, die es bietet, zu sehr schätzt.
Dass autofreie Mobilität in Markkleeberg machbar ist, zeigen zehn Projekthaushalte, die bereits ohne eigenes Auto auskommen. Die Familie Mährlein beweist mit ihren zwei Kindern, dass selbst Familien auf ein Auto verzichten können. Die Rentnerin Angelika Lange betont zum Auftakttreffen, wie einfach es in Markkleeberg ist, ohne eigenes Auto auszukommen. Das dichte S-Bahn- und Busnetz sowie die flache Landschaft erleichtern dies erheblich. Ihr Auto hat sie vor vielen Jahren aus der Not heraus abgeschafft: „Ich habe damals in Chemnitz gelebt, wo es in meiner Wohngegend einfach nicht genügend Parkplätze gab. Dafür aber Carsharing, und das war für mich der Anlass für den Umstieg“, sagt Angelika Lange. Durch ihre Teilnahme am Projekt möchte sie andere ermutigen, ebenfalls auf umweltfreundliche Verkehrsmittel umzusteigen. Sie setzt, wie auch andere, auf den Erfahrungsaustausch untereinander. Schon beim ersten Treffen wurden Tipps für den erfolgreichen Umstieg geteilt.
Allerdings wurden auch Herausforderungen benannt, die eine autofreie Mobilität in Markkleeberg erschweren. So fehlt etwa ein Leihradsystem. Auch mangelt es an genügend Carsharing-Stationen und -Autos. „Die beiden Städte Leipzig und Markkleeberg wachsen immer mehr zusammen, wieso nicht auch bei der Leihmobilität?“, fragt eine Teilnehmerin.
Die Markkleebergerin Dr. Christina Flechsig wies auf ein weiteres Problem im ÖPNV hin: die Langzeitbaustellen. So werde aktuell die Endhaltestelle „Markkleeberg West“ der LVB-Buslinie 70 aufgrund einer Baustelle nicht angefahren. „Das ist gerade für die dort wohnenden Rentner ein großes Problem. Wie sollen die den Kilometer zur nächsten S-Bahn-Station überwinden? Ich wünsche mir, dass dafür eine Lösung gefunden wird“, sagt Flechsig.
Beim Auftakttreffen wurden zahlreiche Probleme im Straßen- und Verkehrsraum diskutiert und erste Ideen entwickelt. Am Ende des Treffens war klar: Die Motivation, die Verkehrswende in Markkleeberg voranzutreiben, ist groß, ebenso wie die Bereitschaft, auf autofreie Mobilität umzusteigen. Allerdings wurde eine Vertretung aus der Stadtverwaltung zum Treffen vermisst. Die Teilnehmer hoffen nun, dass die Stadtverwaltung bei der nächsten Veranstaltung in wenigen Wochen dabei ist, um die Anliegen aufzunehmen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Bis dahin gilt für die Teilnehmer: Das Auto stehen lassen, umweltfreundlich mobil bleiben und weiter Ideen für einen nachhaltigen und sicheren Verkehrsraum sammeln.
Der Artikel erscheint in der Ausgabe 19/2024 des Markkleeberger Stadtjournals.
Förderhinweis:
Die Finanzierung des Projekts 100fach mobil erfolgt durch die Initiative Mobilitätskultur von PHINEO.