Impulse für vielfältige Mobilität in Markkleeberg

Wie das Projekt “100fach mobil” die Mobilität der Markkleeberger verändert

Workshopteilnehmer tauschen Erfahrungen aus

Ob mit Bus, Bahn oder Fahrrad – Tilo Brachmann aus Markkleeberg und seine Familie sind so oft wie möglich autofrei mobil. Ihr privates Auto haben sie abgeschafft. Den Dienstwagen nutzt die Familie nur für Fahrten, bei denen Alternativen zu aufwendig oder unpraktisch sind. „Der Plan, das eine Auto abzuschaffen, existierte schon länger, doch das Projekt „100fach mobil“ gab den entscheidenden Anlass dazu“, erzählt Tilo Brachmann.

Seit August läuft das Projekt „100fach mobil“ in Markkleeberg, organisiert vom Landesverband Nachhaltiges Sachsen e. V. in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung. Ziel ist es, eine vielfältige Mobilität ohne eigenes Auto zu fördern und herauszufinden, wie alltagstauglich der Umstieg für verschiedene Teilnehmende ist. Beim Workshop am 18. November in der Orangerie Gaschwitz berichteten die Teilnehmenden von ihren Erfahrungen und Herausforderungen.

Autofrei unterwegs

Mit dabei war auch Susanne Wohlfahrt, die bereits seit über einem Jahr auf das Auto verzichtet. „Früher hatte ich Vorbehalte gegenüber dem ÖPNV. Durch das Projekt ist es für mich normal geworden, diesen zu nutzen. Ich habe dadurch sogar eine sehr praktische und schnelle Buslinie neu für mich entdeckt.“ Das Projekt stellt den Teilnehmenden ein Mobilitätsbudget zur Verfügung, das Wohlfahrt für ein Deutschlandticket nutzt.

Auch Lydia Sommer profitiert davon: „Seitdem ich das Deutschlandticket habe, entdecke ich mehr und mehr das Leipziger Umland.“ Für viele funktioniert der Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel oder das Fahrrad im Alltag bereits gut. Dennoch zeigt sich, dass nicht alle ganz ohne Auto auskommen. Bettina Friedrich erklärt: „Für längere Strecken oder Fahrten ins Umland nutze ich noch das Auto. Da komme ich einfach besser voran als mit dem ÖPNV.“ Innerhalb der Stadt fährt sie jedoch fast ausschließlich Fahrrad: „Ich empfinde die Fahrradsituation in Markkleeberg als gut.“

Radwege und Sicherheit

Doch nicht alle Teilnehmenden teilen diese positive Einschätzung. Tilo Brachmann kritisiert die unzureichende Radinfrastruktur in Markkleeberg: „Als Radfahrer bin ich in Markkleeberg, vor allem auf Tempo-50-Straßen, stets Teil des fließenden Verkehrs. Es fehlen durchgängige und abgetrennte Radwege, insbesondere auf der Friedrich-Ebert-Straße.“

Workshopteilnehmer tauschen Erfahrungen aus

Auch die Koburger Straße wird von den Teilnehmenden als gefährlich eingeschätzt, besonders für Fahrradfahrende – und für Kinder, wie Franziska Kümmerle betont. „Die Koburger Straße ist unsicher, und auch die Rathausstraße im Zentrum stellt ein großes Risiko dar. Gerade in den Stoßzeiten sehen meine Kinder kaum, wann sie sicher über die Straße kommen – hier fehlen Zebrastreifen oder Ampeln.“

Im Workshop dokumentierten die Teilnehmenden diese Schwachstellen mithilfe von Stadtplänen. Die Stadtverwaltung erklärte anschließend die komplexen und zum Teil sehr langwierigen Prozesse der Verkehrsplanung. Karoline Dippmann fand diesen Einblick hilfreich: „Es war wichtig zu verstehen, warum Veränderungen so lange dauern.“

Der Weg zum autofreien Alltag

Trotz aller Fortschritte können viele noch nicht vollständig auf das Auto verzichten. Für Karoline Dippmann ist der Umstieg auf Bus und Bahn dennoch eine Erleichterung: „Für mich ist es ein Luxus, einfach in den Bus oder die Bahn zu steigen und gefahren zu werden. Ich muss keinen Parkplatz suchen und nicht ans Tanken denken.“ Gleichzeitig nutzt sie das Auto noch gelegentlich für Großeinkäufe oder Transporte.

Einige Teilnehmende nutzen weiterhin einen Dienstwagen, was innerhalb der Projektgruppe für Diskussionen sorgt. Franziska Kümmerle äußert im Nachgang des Workshops deutliche Kritik am Dienstwagenprivileg: „Das gehört abgeschafft. Wie sollen wir die Verkehrswende schaffen, wenn es günstiger ist, einen Dienstwagen zu nutzen, als mit dem ÖPNV zu fahren?“ Sie schlägt vor, dass Arbeitgeber stärker auf nachhaltige Mobilität setzen sollten, etwa durch Jobtickets oder Poolfahrzeuge. Auch der Ausbau von Leihangeboten würde Anreize schaffen.

In Markkleeberg gibt es mit teilAuto und enviaM zwei Carsharing-Anbieter, doch die Nachfrage ist bereits jetzt hoch. „Die Autos sind oft ausgebucht, wenn ich eines brauche. Das Angebot sollte dringend ausgeweitet werden“, fordert Kümmerle. Beide Anbieter unterstützen das Projekt „100fach mobil“ durch Sponsoring und Gutscheine. Diese Unterstützung trägt dazu bei, den Bedarf der Teilnehmenden sichtbar zu machen und die Anbieter in ihren Bemühungen zur Erweiterung des Carsharing-Angebots zu unterstützen.

Workshopteilnehmer tauschen Erfahrungen aus

Ausblick auf die nächsten Schritte

Mit Blick auf die kommenden Monate hoffen die Teilnehmenden, dass ihre Erfahrungen und Vorschläge konkrete Veränderungen anstoßen werden. Ende Januar ist ein Austausch mit Oberbürgermeister Karsten Schütze geplant, der selbst Befürworter nachhaltiger Mobilität ist und privat wie beruflich ohne eigenes Auto auskommt. Dabei werden die Teilnehmenden ihre Ideen und Anliegen einbringen, um die Mobilität in Markkleeberg weiter voranzutreiben. Bis zum Abschluss der Testphase von „100fach mobil“ im Juli 2025 wollen sie möglichst konsequent auf ihr Auto verzichten und neue Wege der Fortbewegung erproben.

Der Artikel erscheint in der Ausgabe 01/25 des Markkleeberger Stadtjournals.


Förderhinweis:

Die Finanzierung des Projekts 100fach mobil erfolgt durch die Initiative Mobilitätskultur von PHINEO.

Das Projekt wird in Markkleeberg von der envia Mitteldeutsche Energie AG unterstützt.

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