Ohne Auto vielfach mobil in Markkleeberg
Reportage von der Info-Veranstaltung zu 100fach mobil
Von Markkleeberg zur Arbeit nach Paunsdorf. Ob bei Hitze oder Regen, Martin Obst fährt die Strecke mit dem Fahrrad. Im Alltag ist der Markkleeberger zu 90 Prozent mit dem Rad mobil. Auch im Urlaub möchte er auf das Fahrrad nicht verzichten, und nimmt es mit in den Zug. Das Auto von Martin Obst steht meist mehrere Wochen ungenutzt vor der Haustüre. Zum Einsatz kommt es nur als Transportmittel, wenn das Fahrrad die Last nicht tragen kann. Wieso besitzt er in Zeiten von Carsharing noch ein eigenes Auto? Das fragt sich Martin Obst auch. „Lange gab mir das Auto ein Gefühl der Ungebundenheit. Nun steht es vor allem rum“, meint er. Der Gedanke, das Auto stillzulegen, kam ihm und seiner Frau, als sie von dem Projekt 100fach mobil des Landesverbands Nachhaltiges Sachsen e.V. erfahren haben.
Das Projekt lädt Haushalte in Markkleeberg dazu ein, vielfältige Mobilität ohne eigenes Auto auszuprobieren und gemeinsam die Stadt nachhaltig zu gestalten. Dazu erhalten die Haushalte für ein Jahr gratis ein Deutschlandticket. In dieser Zeit lassen die Teilnehmer das Auto, wenn es vorhanden ist, möglichst stehen und werden vielfach mobil. Ihre Erfahrungen teilen sie im Projekt untereinander und öffentlich. In Workshops arbeiten sie gemeinsam an nachhaltiger Stadtentwicklung mit. „Das hat meine Frau und mich überzeugt. Wir finden es großartig, aktiv an der Gestaltung der verschiedenen Verkehrswege in Markkleeberg teilnehmen zu können“, sagt Martin Obst im Nachgang der Informationsveranstaltung, zu der der Landesverband Nachhaltiges Sachsen e.V. am 22. Mai 2024 ins Rathaus von Markkleeberg eingeladen hat. Mit dem Projekt 100fach mobil möchte der Verband zeigen, dass die Verkehrswende auch in sächsischen Klein- und Mittelstädten möglich ist. Und so auch in Markkleeberg, das durch die gute Anbindung an das Großzentrum Leipzig bereits über eine gute Infrastruktur verfügt.
Martin Obst und Renate Misevica-Trillitzsch vor dem Rathaus
Der Oberbürgermeister von Markkleeberg, Karsten Schütze, steht hinter dem Projekt. Er ist selbst Vorreiter für eine autofreie Mobilität: Weder privat noch dienstlich ist Karsten Schütze mit dem Auto unterwegs. Privat fährt er Fahrrad, dienstlich reist er mit Bus und Bahn. Den Grund dafür lieferte seine Tochter, die als Kind das Autofahren nicht ertragen habe. „So waren wir immer gezwungen mit dem ÖPNV zu fahren“, meint Schütze. In seinem Amt hat er nach kurzer Zeit den Dienstwagen abgeschafft. Die Bürokratie, die wenige Nutzung des Wagens und eine kostspielige Reparatur führten dazu, das Fahrzeug aufzugeben. „So habe ich mich auch dienstlich neu organisiert und stelle fest, es funktioniert“, sagt Schütze.
Eine autofreie Mobilität ist in einer Stadt wie Markkleeberg möglich, davon ist auch Renate Misevica-Trillitzsch überzeugt. Seit 2017 lebt sie mit ihrem Sohn ohne Auto und ohne Führerschein in Markkleeberg. „Seither hat es noch keinen Moment gegeben, in dem ich einen Führerschein gebraucht habe. Die Bus- und Bahnanbindung ist sehr gut. In der Stadt kann ich viele Wege zu Fuß gehen“, sagt sie. Ihr Umfeld reagiert häufig irritiert, wenn sie von ihrer autofreien Mobilität erzählt. Sie möchte durch ihre Teilnahme am Projekt 100fach mobil anderen Markkleebergern zeigen, dass es geht, den Alltag ohne Auto zu organisieren. Und sie möchte Verbesserungen anregen. Sicherheit und gegenseitige Rücksichtnahme sind ihr im Verkehrsraum besonders wichtig. Gerade Schülerinnen und Schüler sollten sich auf ihren Schulwegen mit dem Fahrrad sicher fühlen. Mehr Raum für den Radverkehr, das wünscht sich auch Martin Obst. Er möchte mit seiner Teilnahme am Projekt anderen einen Denkanstoß geben, welche Wege wirklich mit dem Auto zurückgelegt werden müssen.
Der Oberbürgermeister, Karsten Schütze, erhofft sich von 100fach mobil, dass sich die Markkleeberger auf das Experiment einer möglichst autofreien Mobilität einlassen. „Ohne eigenes Auto unterwegs zu sein, bedeutet mehr Freiheit“, meint er. Andererseits müsse man auch akzeptieren, dass dies nicht in jedem Fall möglich sei. Wer etwa im ländlichen Raum arbeitet, sei häufig auf das Auto angewiesen. Doch im gut angebundenen Leipziger Großraum ist autofreie Mobilität einen Versuch wert. „Das Leben ist dadurch weniger stressig und es ist gut für die Umwelt. Mein ökologischer Fußabdruck jedenfalls sollte vorbildlich sein“, so Karsten Schütze.
Der Artikel ist am 05. Juni 2024 in der Ausgabe 12/2024 des Markkleeberger Stadtjournals erschienen.
Förderhinweis:
Die Finanzierung des Projekts 100fach mobil erfolgt durch die Initiative Mobilitätskultur von PHINEO.