Ohne Auto vielfach mobil in Frankenberg/Sa.

Reportage von der Infoveranstaltung zu 100fach mobil

Die zehn Kilometer von Bockendorf nach Frankenberg fährt Ringo Grombe täglich mit dem Fahrrad. Seit einem Jahr lebt der Besitzer des Johanneshofs in Bockendorf ohne Auto. Der Verzicht ist ein Versuch, sagt Grombe, aber bislang funktioniere das sehr gut. „Wir merken, ohne Auto lebt es sich günstiger und die Lebensqualität ist höher“, erzählt Grombe. Seine Partnerin Christina nutzt den Bus, um nach Frankenberg zu pendeln. Ringo Grombe fährt ein E-Lastenrad. Er brauche seither kein Fitnesscenter mehr, er setze sich aufs Rad und fährt, erzählt er am Rande der Informationsveranstaltung zum Projekt 100fach mobil am 30. Mai 2024 im Haus der Vereine.

Ringo Grombe ist vor ein paar Jahren von Dresden zurück in die Heimat gezogen. Er hat den verlassenen Hof seiner Großeltern übernommen und zum soziokulturellen Ort ausgebaut. „Mit Kultur hält man die Menschen in der Region“, meint Grombe. Das sei wichtig, damit ältere Menschen nicht irgendwann allein dastehen. Neben Kultur brauche es im ländlichen Raum aber auch Nahversorgung und einen gut funktionierenden ÖPNV, denn das bedeute Teilhabe. Deshalb interessiert sich Grombe für das Projekt 100fach mobil. Das Projekt lädt Menschen in Frankenberg/Sa. und Umgebung dazu ein, vielfältige Mobilität ohne eigenes Auto auszuprobieren und gemeinsam die Region nachhaltig zu gestalten.

Ringo Grombe mit seinem E-Lastenrad in Bockendorf

Im Rahmen des Projekts erhält jeder Haushalt für ein Jahr einen monatlichen Mobilitätszuschuss in Höhe eines Deutschlandtickets. In dieser Zeit lassen die Teilnehmenden das Auto, wenn es noch vorhanden ist, möglichst stehen und werden vielfach mobil. Ihre Erfahrungen teilen sie im Projekt untereinander und öffentlich. In Workshops arbeiten sie gemeinsam an nachhaltiger Stadtentwicklung mit. „Das hat mich überzeugt“, meint Ringo Grombe zu seiner Motivation für das Projekt. Er möchte sich für eine bessere ÖPNV-Verbindung in und um Frankenberg/Sa. einsetzen.

Ähnlich geht es Ursula und Gerhard Kolbe, die sich ebenfalls für das Projekt 100fach mobil gemeldet haben. Auch sie möchten sich konstruktiv in die Stadtplanung einbringen. Bislang nutzt das Rentnerpaar noch regelmäßig das eigene Auto, um mobil zu sein. Ihre Teilnahme am Projekt nehmen sie zum Anlass, auf das Fahrrad und den ÖPNV umzusteigen. „Wir wollen von der Trägheit wegkommen“, sagt Gerhard Kolbe. Seine Frau Ursula ergänzt: „Uns motiviert der grüne Gedanke“. Sie empfinden eine Verantwortung für die Zukunft ihrer Enkel, deshalb wollen sie nachhaltiger mobil werden.

Bürgermeister Oliver Gestner spricht bei der Infoveranstaltung zu 100fach mobil

Das Ehepaar Reiner und Sonja Bräunig ist bereits nachhaltig mobil. Das eigene Auto hat das Ehepaar aus Frankenberg/Sa. vor einiger Zeit abgeschafft. „Die Enkelin brauchte das Auto dringender als wir“, sagt Sonja Bräunig. Aufgrund des hohen Alters wollten sie nicht mehr Auto fahren. Außerdem sei für sie in Frankenberg/Sa. alles fußläufig zu erreichen. Nachhaltigkeit und Umweltschutz sind dem Paar wichtige Anliegen, weshalb sie sich im Projekt 100fach mobil engagieren. „Und wir möchten uns dafür einsetzen, dass auch mal etwas für die alten Leute getan wird. Ein kostenloses Ticket für jene, die ihr Auto abgeben, das ist doch mal ein Anfang“, sagt Sonja Bräunig über das Projekt.

Mit dem ÖPNV-Angebot in Frankenberg/Sa. ist Familie Bräunig zufrieden, außer wenn Ferien sind. „In den Ferienzeiten fahren die Busse ausgedünnt, das sollte sich ändern“, sagt Reiner Bräunig. Das wurde auch von anderen Teilnehmenden der Informationsveranstaltung angemerkt. Außerdem gebe es zu wenig Fahrradwege. Auf einen Wunsch konnte der anwesende Bürgermeister Oliver Gerstner direkt antworten: Carsharing. Die Stadt sei im Gespräch mit einem Anbieter, das Projekt 100fach mobil könne dazu beitragen, dass diese Gespräche erfolgreich verlaufen.

Dass man durch Engagement etwas verändern kann, das hat Ringo Grombe schon oft erfahren. So konnte er durch öffentliche Gespräche die Bustaktung zwischen Hainichen und Oederan verbessern. Seither können die Gäste des Johanneshofs besser mit dem ÖPNV an- und abreisen. Ringo Grombe ist ein Beispiel dafür, was möglich wird, wenn man sich für seine Region einsetzt, auch wenn das bedeutet, die eigene Komfortzone zu verlassen.

Der Artikel ist am 21. Juni 2024 in der Ausgabe 07/32 des Frankenberger Amtsblatts erschienen.


Förderhinweis:

Die Finanzierung des Projekts 100fach mobil erfolgt durch die Initiative Mobilitätskultur von PHINEO.

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